Verhältnis zwischen Malerei und Fotografie

Manuskriptes von
H.P. Alvermann

(gefunden bei der Durchsicht der künstlerischen Denkweisen)
Die Diskussion um das Verhältnis zwischen Malerei und Fotografie wird seit der Erfindung des Fotoapparates belastet durch Vorurteile, die eher etwas über den historischen Schock verraten, den diese Erfindung im Tempel der Musen verursachte, als über ihre tatsächliche und unmittelbar-praktische Bedeutung für die bildende Kunst. Das Vorurteil stellt sich dem Künstler wie auch dem Publikum als eine Art ästhetisches Übertabu dar und lautet in Kurzform: Du darfst keine Bilder nach Fotografien malen. Die Begründung lautet je nach ideologischem Standort anders ist aber in allen Fällen gleich falsch und bieder-naiv. Entweder heißes es dann, “Das  Foto gibt die Wirklichkeit besser wieder- und deshalb muß die Kunst was anderes machen.“ Oder aber schlicht technokratisch:“ Das sind zwei ganz verschiedene Medien, die soll man nicht vermischen.“ Da die Begründung falsch und das Tabu nicht eingehalten wurde, vielmehr bei den Betroffenen  - Künstlern wie Laien- nur zu einer Art doppelten ästhetischen Moral führte,
wurde es modifiziert. Was allerdings nicht bedeutet, daß es eingehalten wurde. Es brachte nur eine modifizierte doppelte ästhetische Moral hervor. In der Neufassung hieß es dann ungefähr so: Grundsätzlich darfst Du keine Ölbilder nach Fotografien malen. Das machen nur Sonntagsmaler und Kitschies, Laien, Dilletanten – und dazu willst Du doch nicht zählen oder? Wenn Du es aber trotzdem nicht sein lassen kannst, dann darf hinterher nicht erkennbar sein, daß ein Foto als Vorlage diente. Das machst Du am besten so, indem Du möglichst viel veränderst-  wenn das auf Kosten der dargestellten Wirklichkeit geschieht, dann mach’ Dir daraus nichts – das ist halt die Kunst daran. Und wenn die Darstellung vor lauter Kunstkorrekturen ins Schleudern gerät – das kannst Du dann als künstlerische Absicht ausgeben, das macht die Sache bedeutungsvoll und tief. Merke Dir: Du bist Künstler und hast aus dem Reichtum Deiner schöpferischen Potenzen zu malen – die Kamera macht nur Knips.


Die Schwierigkeiten bei der Aufarbeitung des Problems bestehen einmal darin, daß es sich um ein Ideologieproblem im schlechtesten Sinne handelt- und nichts ist schwieriger als Gespenster zu liquidieren – und zum anderen, daß es nur von jenen aufgearbeitet werden kann, deren ästhetische Praxis es am unmittelbarsten berührt, nämlich der realistischen Kunst, die sich aber mit der Bewältigung dieses Problems bisher am schwersten getan hat.

Für die bürgerlich-idealistische Kunstauffassung der Moderne bestehen hier überhaupt keine Probleme, weil sie ziemlich schnell nach dem historischen Schock auf die Erfindung der Fotografie daraus ihre Konsequenz gezogen hat: Ihre Adepten beschlossen der bösen Welt den Rücken zu kehren mit der Begründung- unter anderem- daß die Fotografie die Wirklichkeit besser wiedergeben könne und sie damit von dieser lästigen Aufgabe hinfort befreit seien. Das Problem der Distanzierung von der Fotografie als Kunstform erxistierte damit

für die bürgerlich-idealistische Ästhetik nicht mehr und man konnte sie unbesorgt neben die Malerei in den Olymp der schönen Künste aufnehmen, eine etwas prosaische Muse zwar, aber immerhin eine.Für die marxistischen Kunsttheoretiker stellt sich das Problem des Verhältnisses zwischen Malerei und Fotografie erheblich schwieriger. Sowohl Fotografie als auch Malerei befassen sich nach marxistischer Kunstauffassung mit dem gleichen Sujet – der geschichtlichen Wirklichkeit des Menschen – und beide Medien bedienen sich dabei der gleichen ästhetischen Methode, der des Realismus, wenn auch anhand anderer technischer Hilfsmittel. Das macht verständliche, daß in der marxistischen Ästhetik das Augenmerk stets stärker auf die Herausarbeitung der Unterschiede zwischen beiden Medien als auf die Frage nach ihrer Beziehung zueinander im Sinn ihrer wechselweisen Unterstützung und ihres historischen Zusammenhangs gerichtet war.


Das hat in der Praxis über weite Strecken dazu geführt, daß die realistischen Künstler- im Unterschied zu ihren bürgerlichen Kollegen – ihre Fotografien und Fotostudien vor den Argusaugen der Kritik im hintersten Winkel des Bücherregals verstecken mussten als handelte es sich um pornografische Bildchen.

Seien wir ehrlich: Von einem Künstler, den die Kunstkritik verrissen hat, weil er massenhaft Fotos zu seinen Bildern im Atelier offen herumliegen lässt, ja der behauptet, daß Fotografieren eine wichtige und gute Sache für die Qualifizierung der Malerei sei, von einem solchen Maler kauft man keine Bilder sondern lieber die Fotos, das ist billiger. Das Ende vom Lied: Das Medium Fotografie als Medium für Maler wird nicht genutzt, eine Mutige haben am Ende eine Art Fotoneurose und der Rest wird zur Heuchelei gezwungen.

Wie paradox dieser Scheinkonflikt ist, in den wir realistischen Künstler geraten sind, zeigt ein Blick auf die historische Situation, in der das Foto erfunden wurde und in der Form, in der die bildende Kunst auf dieses Ereignis reagierte.

Der Schock, den die Erfindung der Fotografie auf die Malerei auslöste wirkt bis heute unvermindert nach und eben deshalb verdeckt er bis heute was seine eigentliche geistes- und kulturgeschichtliche Qualität für die Bildende Kunst ausmacht: Da wurde ein Apparat erfunden, der die ästhetische Erscheinungsform der Welt korrekt und „objektiv“ aufzeichnet, sie wie sie ist, und nicht wie sie sich in den Köpfen der Leute widerspiegelt. Das, was die Kamera aufzeichnet ist tatsächlich da – das was die Maler bisher aufgezeichnet hatten, war entweder die Idee davon oder schlicht eine unbeweisbare ästhetische Behauptung.

Daß die Fotografie die Wirklichkeit „richtiger“ oder ebenso „richtig“ in jedem Fall aber unerhört viel leichter wiedergeben kann, als die Malerei, ist eine Sache, und sie betrifft das Heer der damaligen Illustratoren-Handwerker und Bildstecher. Es machte brotlos. Es betrifft aber nur sehr periphär die Malerei und auch nur insofern, als die korrekte Wiedergabe der Wirklichkeit Voraussetzung ist, um das über sie Ausgesagte plausibel zu machen, zu überzeugen...




Since these hours
18.8.2005, 1:02 Uhr

Since these hours of dark ages
are not outside of your mind
taken the Bodhi Vow
we will overcome
taking with us the tears
suffering and confusion
of human beings
als our owns.